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Larry hatte Tante Kate für Samstag nachmittag eingeladen, und sie war da, als Tony von der Besichtigung des kleinen Fohlens zurückkam. Das Mädchen war hinübergeritten und kehrte in Peters Begleitung strahlend zurück. Wir beobachteten, wie sie fröhlich am Tor mit ihm plauderte, und Kate meinte: »Ich kann dir keinen Vorwurf machen, Susan. Es ist das lieblichste Wesen, dem ich seit langem begegnet bin. Dein stolzer Blick sagt: >Sie ist schön, und sie gehört mir.< Ersteres stimmt, letzteres nicht. Mach dir keine Sorgen um sie, versuche nicht, sie richtig anzuziehen und sie an den richtigen Mann zu bringen. Du wirst keinen Erfolg damit haben.«

Ich protestierte. Ich habe nie jemandem etwas von Peter erzählt, und das Kleiderthema hatte ich schon lange aufgegeben. Nicht daß Tonys Kleider meine Zustimmung gefunden hätten, aber ich konnte nichts dagegen tun. Sie trug im Moment gerade einen so kurzen Minirock, daß man ihn kaum sehen konnte, und alle Mädchen vergruben ihre Gesichter hinter langen glatten Haarsträhnen. Tony hatte zwar schönes rotbraunes Haar mit herrlichen Locken, aber auf einer ihrer Reisen mit ihrem Vater hatte sie einen gewissenlosen Friseur überredet, es völlig zu entkrausen. Als sie zurückkam, waren die Locken verschwunden; statt dessen hatte sie glatte Strähnen. Ich war wütend, aber die Zeit tat das ihre, und das Haar fiel jetzt wieder eigenwillig in Locken über ihren Rücken.

»Ich verstehe gar nicht, wie du das Gekitzel aushältst, abgesehen davon, daß es schrecklich aussieht«, sagte Paul, als sie ihn durch ihren Haarvorhang anblinzelte, aber sie lachte nur und sagte: »Du armer hoffnungsloser Mensch. Du hast nicht einmal Koteletten, und das sieht richtig nackt aus, wenn man an all die hübschen Jungens in der Stadt denkt.« Das trug den Krieg ins Feld des Feindes, und Pauls Brummen zeigte, daß die Taktik erfolgreich war.

Jetzt kam sie mit Peter auf uns zu, und mir kam der dumme Gedanke, was für ein nettes Paar sie doch waren. Peter war groß, dunkel und zurückhaltend; nicht gutaussehend, hatte aber aufrichtige Augen und ein kräftiges Gesicht. Er sah irgendwie solide aus, was Paul und mir gefiel, ein junges Mädchen aber vielleicht weniger ansprach. Zumindest mochte Tony ihn aber gern. Sie interessierte sich brennend für seine Farm, insbesondere für das Fohlen. Vielleicht, so dachte ich in meiner Einfalt, würde sie das zusammenbringen.

Peter machte einen leicht erschrockenen Eindruck, als er Tante Kate vorgestellt wurde, wie ich sie nun nennen durfte. Man sah heutzutage nicht oft einen Menschen wie sie, und Bestürzung war wohl häufig die erste Reaktion eines Mannes. Aber dann kam ein trockener, kurzer Kommentar, und man sah Humor und Herzlichkeit in dem einfachen Gesicht. Tony hatte das sofort entdeckt und war ganz ungezwungen wie bei allen Leuten, die sie mochte. Sie küßte die verwitterte, knochige Wange und sagte: »Meine Gute, warum trägst du keinen Kneifer, dann würdest du Tantchen noch übertreffen.«

Kate, die Miss Adams noch nicht kennengelernt hatte, sah erstaunt aus, darauf sagte Larry: »Am Montag machen wir einen Besuch im Laden, und dann wirst du sehen, daß ihr vom selben Schlag seid.« Aber das heißt nicht, daß sie einander mögen werden, dachte ich. Gewiß hatten sie eine oberflächliche Ähnlichkeit, dasselbe Funkeln in den Augen, die Zuneigung zur Jugend und den Humor, den man erst nur ahnen kann. Aber das war auch schon alles. Miss Adams war vielleicht Ende fünfzig, aber sie war elegant und ging mit der Zeit. Sie hatte nichts von einer enttäuschten alten Jungfer. Sie hatte alles andere als ein abgeschlossenes, langweiliges Leben geführt, zu dem Kate Fletcher verdammt gewesen war. Sie hatte jeden Tag ihres Lebens im Hinterland genossen, machte einen Erfolg aus einem entlegenen Geschäft und war die Freundin und Vertraute des halben Bezirks. Ihr Leben war erfüllt und glücklich. Sie hatten wohl beide ein weiches Herz in der harten Schale, aber gerade diese Ähnlichkeit könnte eine Freundschaft zwischen ihnen verhindern. Ich hoffte es jedoch nicht, denn sie würden gute Verbündete abgeben.

 

Tony war ganz begeistert von dem Fohlen. »Es ist herrlich, ganz wackelige Beine und ein herrlicher Kopf. Nicht ein weißes Haar. Peter, das gibt ein erstklassiges Rennpferd.«

»Ein guter Ackergaul ist mir lieber. Ich will keine Rennen gewinnen.«

»Oh, sei doch nicht so langweilig. Denk doch nur an seinen Stammbaum. Warum hast du so viel Geld ausgegeben, wenn du es gar nicht ausbilden willst?«

Aber Peter sagte nur: »Eine gute Aufzucht kann nicht schaden. Aber für Rennen habe ich nichts übrig.«

Als er gegangen war, seufzte Tony ungeduldig. »Am liebsten würde man Peter doch mal kräftig durchschütteln. O ja, ich weiß, daß er ein guter Kerl ist, aber er erinnert mich an dieses Bauernomelett, über das sich Paul so aufgeregt hat, als du weg warst.«

Tony war keine gute Köchin, und während meiner dreitägigen Abwesenheit war ihr, wie Paul erzählte, irgendwie ein Bauernomelette gelungen, das dann die ausschließliche Nahrung darstellte. Sie fuhr fort: »ich fand es schrecklich nörglerisch von Paul. Ein Bauernomelette ist so gut und so sicher und verläßlich, genau wie Peter.« Ich seufzte. So sprach man nicht von jemandem, in den man verliebt war.

Es war albern von mir zu bezweifeln, daß Tantchen und Kate miteinander auskommen würden. Der Besuch war ein voller Erfolg. Zunächst beäugten sie einander ziemlich vorsichtig, aber bald begann Tantchen von ihrem Leben im Laden zu erzählen, und Miss Fletcher brachte sie dazu, von der ersten Zeit zu sprechen, als sie ihn übernahm. Er war damals fast pleite gewesen, denn der frühere Besitzer hatte vor allem schwarz mit Alkohol gehandelt, aber Tantchen hatteein blühendes Geschäft aufgebaut.

Als sie geschlossen hatte, seufzte Kate und sagte: »Sie waren so klug, auszureißen. Ich wünschte, ich hätte das auch tun können, aber man kann nicht einfach gehen und seine Eltern allein lassen.«

»Ich könnte es«, sagte Larry ungestüm. »Natürlich habe ich nie Eltern gehabt, abgesehen von Onkel Richard, aber ich hätte mein Leben nie anspruchsvollen alten Leuten geopfert.«

»Nein«, erwiderte Kate. »Niemand, der so aussieht wie du, wäre dazu verpflichtet gewesen.«

Aber Tantchen bemerkte nur vernichtend, daß ihre und Miss Fletchers Generation noch Pflichtgefühl besäßen, während die Jugend keines mehr zu kennen scheine. Dann fügte sie zu Kate gewandt hinzu: »Aber es ist nicht zu spät. Es ist nie zu spät. Sie können noch massenhaft Abenteuer erleben.«

Aber Miss Fletcher sagte nur traurig: »Man muß erst das Geschick dazu haben«, dann wechselte sie das Thema.

 

Der neue Arzt sollte nächste Woche ankommen, und zu seiner Begrüßung war ein großes Fest geplant. Das ist immer so. Große Feste sind die einzigen gesellschaftlichen Ereignisse des Hinterlandes. Ich halte nicht viel davon, denn sie können sehr langweilig sein. Die Männer versammeln sich an der Tür und sprechen über Schafe und Preise, die Frauen sitzen auf den langen Bänken an der Wand entlang und betrachten neugierig die Rocklängen der anderen und sehen, wieviel sie zum Festessen beigetragen haben. Als ich mich darüber beschwerte, sagte Tante Kate trocken: »Ich vermute, eure liebe Familie hockt zusammen und spricht von der guten alten Zeit.«

Das kam der Wahrheit schrecklich nahe, und ich sagte zu Larry: »Wir müssen das ändern und uns mehr unter die Leute mischen.«

Nicht, daß wir die Neuankömmlinge nicht gemocht hätten; wir fanden sie meistens sympathisch. Nur, sie kamen und gingen, und wir blieben. Mit der Entwicklung des Landes und mit dem Bau besserer Straßen in den letzten zehn Jahren hatten die Farmen ziemlich häufig ihre Besitzer gewechselt. Ein Farmer, der seine Arbeit verstand, sah gutes Land, kaufte es, verbesserte es und verkaufte es mit Gewinn. Sein Nachfolger brachte die Entwicklung eine Stufe weiter, lebte ein paar Jahre dort, und war, wie wir hofften, ansässig geworden. Dann passierte irgend etwas. Seine Kinder mußten zur Oberschule, seine Frau wurde krank oder hatte das Hinterland satt, und dann verkaufte er, vielleicht widerwillig, aber mit Gewinn. Das hatten wir sehr oft erlebt, und daher waren wir nicht bereit, jeden Neuankömmling als Freund für das ganze Leben zu begrüßen. »Du meinst, daß ihr euch wie Pioniere fühlt, mir eurem Oberst an der Spitze«, sagte unsere Kritikerin, als ich versuchte, das alles zu erklären.

Kate war mit Oberst Gerard nicht gut ausgekommen, denn er war altmodisch genug zu meinen, eine Frau müßte alles tun, um reizend und charmant zu sein. Er war verdutzt über ihre Offenheit und ihre Kritik an unserem Leben, das er ja auch führte. Er hatte sich, wie sie sagte, zum Häuptling der Sippe gemacht, war ungeheuer redlich mit seinen Gefolgsleuten und eifrig bemüht, Traditionen beizubehalten. Jetzt war er ein alter Mann, und obwohl er sich äußerlich nur wenig verändert hatte, obwohl sein Körper nur ein bißchen gebeugter war und sein weißes Haar noch immer voll, war er gealtert und konservativer denn je.

In einer Hinsicht jedoch fand Kate seine Zustimmung. Larry hatte recht gehabt mit der Schwäche der alten Jungfer für Kinder und mit ihrer geheimnisvollen Eigenschaft, sie für sich zu gewinnen, selbst das Baby Gerard. Es war seltsam, denn normalerweise mögen Kinder gutaussehende Menschen, aber unsere erkannten in ihr sofort eine Verbündete. Sie teilten nicht im geringsten unsere Furcht vor ihr, sondern vertrauten ihr sofort selbst die ungezogensten Streiche an. Als er sah, wie die Zwillinge um einen Platz auf ihrem Schoß kämpften, schmolz der Oberst dahin.

»Schade, daß eine so nette Frau nichts für ihr Aussehen tut«, vertraute er Larry an. »Es scheint ihr egal zu sein. So darf eine Frau nicht sein.«

»Nein, das darf sie nicht, aber sie wird so, wenn sie ihr Leben lang für selbstsüchtige alte Eltern gesorgt hat, nie Freuden kannte und noch mit fünfzig wie ein Schulmädchen behandelt wurde. Wenn man sechzig ist und endlich seine mürrische alte Mutter beerdigt hat, ist man kaum noch in der Stimmung, sich zu schminken oder zu einer guten Schneiderin zu gehen.«

Der Oberst wurde versöhnlicher. »Sie ist also zu Hause geblieben und hat sich um sie gekümmert? Nicht wie die jungen Leute heutzutage.«

Er wurde sofort von Tony zurückgewiesen, die sich bei ihm Dinge herausnahm, wie es keiner von uns gewagt hätte.

»Komm, mein Schatz, jetzt verfalle nicht ins Mittelalter. Du bist doch gar nicht so. Du hättest nie gewollt, daß Anne sich für dich opfert. Ich glaube, Kate hat sich einfach dazu gedrängt. Vielleicht standen die jungen Männer bei ihr nicht gerade Schlange, aber ich wette, sie hätte bestimmt heiraten können. Ich finde, das ist ein Jammer.«

Nichts feuert Tony mehr an als Ungerechtigkeit. Ich war froh, daß Tante Kate nicht dazu geschaffen war, sich bemitleiden zu lassen oder zum Gegenstand von Tonys Kreuzzügen zu werden. Wie schrecklich, wenn sie versucht hätte, sie mit dem Oberst zu verheiraten!

»Natürlich kommst du mit zu dem Begrüßungsfest für den Doktor«, sagte Larry zu Tante Kate. »Den wahren Freuden des Lebens im Hinterland sollte man nicht aus dem Wege gehen.

Außerdem wirst du eine Küche kennenlernen, die alles in diesem Hause übertrifft. Was man anzieht? Die Leute tragen alles. Manche kommen mit Wolljacke und Rock, andere ganz vornehm. Dein graues Seidenkleid ist genau das Richtige.«

Abgesehen davon, daß es sieben Jahre alt und damals schon altmodisch war, hatte Larry recht.

Mrs. Palmer, die bei Tiri lebte und eine gute Seele war, rief mich zufällig vor dem Fest an. Sie sagte: »Der Doktor ist angekommen. Er ist so nett. Ich habe ihn im Supermarkt gesehen. Er sieht jung und etwas still aus, aber nicht hochnäsig. Eure Tony hat ihm gesagt, was er sich für seinen Hausstand kaufen soll.«

Das sah ihr ähnlich. Wahrscheinlich hatte sie ihn schon ganz unter ihre Fittiche genommen. Ich erzählte Larry, was ich gehört hatte. Sie lachte nur gefühllos.

»Jetzt wirst du wegen Tony völlig aus dem Häuschen geraten. Hoffentlich entwickelst du dich nicht zu einer kindischen Mutter... Aber weißt du, Susan, Kate hat recht. Wir sind Fremden gegenüber kritisch. Er ist wahrscheinlich ein sehr netter junger Mann und sowieso in eine kleine Krankenschwester verliebt. Tony ist erwachsen geworden, seit sie sich damals in einen kränklichen Pfarrer verliebt hat. Ich wette, daß sie viele gutaussehende junge Männer kennenlernt, wenn sie mit ihrem Vater unterwegs ist.«

Natürlich hatte sie recht, und ich mußte für das Begrüßungsfest an diesem Abend Begeisterung zeigen, Paul kam mürrisch herein, wie das Farmer so an sich haben, die nach einem langen Arbeitstag noch ausgehen müssen, obwohl es ihnen normalerweise gefällt, wenn sie dann da sind und mit ihren Freunden fachsimpeln.

Als wir an diesem Abend ausgingen, waren wir froh, einen ständigen Babysitter zu haben.

Tante Kate hatte sich sehr um diese Aufgabe bemüht, aber wir erklärten, daß wir schon seit Jahren alle Kinder sammelten und sie zu Mrs. Evans brachten, die nur allzu froh war, eine Entschuldigung zu haben, um gesellschaftlichen Verpflichtungen fernzubleiben. Häufig bettelte auch der Oberst darum, und dann hatten die Kinder ein richtiges Fest, wenn auch kein allzu wildes. Aber bei einer Gelegenheit, wie bei der Begrüßung des neuen Arztes, mußte der Oberst anwesend sein.

In Gedanken an Kates Bemerkung über unseren »geschlossenen Zirkel« sagte ich zu Larry: »Nein, wir werden nicht zusammen ankommen, und vergiß nicht, dich unter die Leute zu mischen. Das heißt, wenn es den anderen recht ist. Ich persönlich glaube eigentlich, daß wir sie langweilen.«

»Wahrscheinlich. Alte Pioniere und so weiter. Aber ich will es versuchen. Geht Tony mit dir hin oder mit Tantchen?«

»Mit Tantchen. Sie machen Inventur, deshalb ist sie in Tiri geblieben. Natürlich nennt sie den jungen Mann jetzt wahrscheinlich schon beim Vornamen. Er mußte bestimmt einkaufen, und du kennst doch Tony.«

Ich war fest entschlossen, Peter zu seinen Pflichten zu zwingen, daher rief ich ihn an und bat ihn, zum Abendessen zu kommen und sich uns dann anzuschließen. Seine Schwester Alison und Julian waren weg, und ich war ziemlich sicher, daß er dem Fest fernbleiben wollte.

Er begann: »Na ja, ich weiß nicht, Susan. Diese Dinge sind nicht so ganz mein Fall.«

Ich gab eine scherzhafte Antwort. »Aber Peter, sei kein Eigenbrötler, zumindest nicht in den nächsten dreißig Jahren. Sogar der Oberst kommt, und wir trommeln alle Leute zusammen, um diesen edlen jungen Mann zu ehren, der sich bereit erklärt hat, sechs Monate im Hinterland zu verbringen.«

»Sechs Monate? Länger macht er es nicht?«

»Das ist immerhin etwas — viele Leute können in sechs Monaten sterben, wenn sie keinen Arzt haben. Vielleicht bleibt er auch länger. Ich glaube, das hängt von seiner Freundin ab, ob sie das Landleben mag oder lieber die Frau eines Modearztes in der Stadt ist.«

»Er ist also verlobt?« Verriet seine Stimme nicht Erleichterung?

»Ja, sicherlich. Du weißt doch, wie die Mädchen diesen jungen Ärzten nachlaufen, und er ist im Laute der Zeit bestimmt massenhaft jungen hübschen Krankenschwestern begegnet. Ärzte heiraten immer Krankenschwestern.«

Ich wünschte, ich wäre wirklich so überzeugt davon, wie ich behauptete. Schließlich erklärte er sich einverstanden zu kommen, und das war schon etwas. Ich wollte nicht, daß Peter sich zu einem dieser hervorragenden Farmer entwickelte, die sonst gar nichts sind, und ich glaubte, daß darin eine Gefahr für ihn lag. Tonys leichtfertige Bemerkung über das Bauernomelett hatte mir gar nicht gefallen. Wenn man es so sah, hätten auch Sam und Paul leidenschaftliche Farmer sein können und wären langweilig geworden, hätten Larry und ich nicht darauf bestanden, sie gelegentlich zum Ausgehen zu zwingen. So waren sie zu ganz annehmbaren Mitmenschen geworden, obwohl sie vorher immer ziemlich jammerten. Wer auch immer Peter heiratete, mußte dasselbe Werk vollbringen.

Paul machte jetzt ein finsteres Gesicht, als er in seinen Anzug stieg und sagte etwas von der schlechten Angewohnheit, für jeden Begrüßungs- und Abschiedsfeste zu geben. »Es ist ja etwas anderes, wenn einer kommt, der wirklich bleiben will. Man müßte ein Fest geben, wenn ein Mann jahrelang seine Farm geführt hat und ansässig geworden ist«, murmelte er.

»So wie wir«, sagte ich schnell. »Na ja, wenn du den Leuten nicht verzeihen kannst, daß sie gehen, solltest du sie um so herzlicher willkommen heißen, wenn sie dem ins Auge sehen, was man >die Härten des Lebens im Hinterland< nennt.«

»Zum Teufel mit den Härten. Heute ist es ein angenehmes Leben.«

»Nicht für einen Arzt. Er kann an einem Winterabend nicht am Feuer sitzen und sicher sein, daß sein Tag zu Ende ist. Er kann nicht zu Bett gehen und wissen, daß er die Nacht durchschläft. Ärzte haben auf dem Land noch immer ein hartes Leben, Farmer nicht.«

»Deshalb wollen sie vermutlich nicht bleiben. Der letzte packte schnell seine Sachen und ging, bei diesem wird es nicht viel anders sein. Kaum ist das Begrüßungsfest zu Ende, schon schwenken wir unseren Hut wieder zum Abschied.« Ich mußte zugeben, daß Paul hierin nicht ganz unrecht hatte.

So machte sich mein Mann wie gewöhnlich zu der Veranstaltung in einer Stimmung auf, die man nicht gerade als Festlaune bezeichnen konnte. Ich meinte, daß ich mehr Grund zum Klagen hatte. Ich hatte den Vormittag damit verbracht, mein Kleid zu kürzen, um die Festlichkeiten dieses Jahres zu überstehen, und am Nachmittag hatte ich Kuchen gebacken und Brötchen für das Abendessen vorbereitet. Larry ging es genauso, aber sie war von dem Gedanken besessen, Kate im Bezirk bekannt zu machen und die verschiedenen Reaktionen zu beobachten.

»Sie ist einfach phantastisch«, sagte sie. als wir uns im Festsaal trafen. »Sieh dir das Kleid an. Du und ich, wir haben Stunden damit verbracht, unsere Kleider herzurichten, um modisch auszusehen, auch jetzt, wo wir wieder arm sind.«

Das war mehr als ich vertragen konnte. »Du meinst, ich tue das. Du bringst das Kleid zu mir und sagst dann, daß du meine Fenster oder mein Silber putzt — was ich beides nicht will — , während ich wie eine Irre nähe«; denn Larry hatte immer behauptet, sie könne nicht nähen und hatte es irgendwie glaubhaft gemacht.

Sie nahm davon weiter keine Notiz. »Und die alte Kate trägt ein Kleid, was ihr irgendeine elende Verkäuferin vor acht Jahren aufgehängt hat, weil es damals schon zu altmodisch war, um verkauft zu werden, und sie ist völlig glücklich und macht sich überhaupt nichts daraus, wie sie aussieht. Ich habe ihr eine Kette angeboten — die schrecklich teure, die Onkel Richard mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hat, aber sie lehnte ab und sagte: >Ein für allemal, Larry, es lohnt sich überhaupt nicht, mich zu zwingen, etwas für mein Aussehen zu tun. Ich sehe so aus, wie ich eben aussehe, wie eine Jungfer der alten Schule, und ich habe trotzdem viel Spaß.< Das ist die richtige Einstellung, Susan.«

Ich gab ihr recht, aber ich spürte, daß ich ihr noch nicht nacheifern konnte. Im Festsaal hatten sich an diesem Abend viele Leute versammelt. Nur Menschen, die lange Zeit ohne Arzt waren, können ermessen, was wir bei seiner Ankunft empfanden. Selbst wenn er nicht blieb, brachte er für einige Zeit Erleichterung. Es gab wohl damals Hunderte von kleinen Gemeinden in Neuseeland, die hoffnungslos enttäuscht waren, weil es keine ärztliche Hilfe gab, und wir wollten unseren Segen geben und den jungen Mann herzlich willkommen heißen... Es bestand immer die Hoffnung, daß er sich als einer dieser selbstlosen, großherzigen Hinterlandärzte erwies, von denen man manchmal liest.

Er kam spät an, und man hatte längst zu tanzen begonnen, als er sich, so unauffällig wie möglich, in den Saal schlich. Er war überhaupt nicht der selbstsichere hochnäsige Typ, den ich insgeheim erhofft hatte. Andererseits sah er nicht auffallend gut aus und war nicht übermäßig eindrucksvoll; ein ganz normaler netter junger Mann, nicht besonders groß, blond, mit einem freundlichen Gesicht, das einen Anflug von Weichheit hatte. Er schien etwas verlegen, der Mittelpunkt zu sein, und war offensichtlich erleichtert, als der Oberst auf ihn zuging und sich mit ihm ungezwungen unterhielt, bis der Tanz zu Ende war. Dann führte er ihn im Saal herum und stellte ihn überall vor. Dr. Barret stand diese Qual gut durch; er schien den meisten Leuten etwas zu sagen zu haben, und man sah, daß er einen guten Eindruck machte. »Keiner von diesen Leinwandärzten«, hörte ich eine Frau sagen, die in meiner Nähe saß, und ihre Freundin antwortete: »Das ist gut. Sie sind so eingebildet, wenn sie zu gut aussehen.«

Als er zu Paul und mir kam — mein Mann hatte sich schon so lange von seinen alten Freunden losgerissen, daß er sogar den Pflichttanz mit mir schon absolviert hatte — sagte der Oberst: »Das sind zwei von den ersten Siedlern. Susan Russel ist seit elf Jahren hier und ihr Mann noch länger; sie haben eine der ältesten und typischsten Farmen.« Oliver Barrett murmelte ein paar bewundernde Worte, und ich lachte. »Sie machen uns so alt, Oberst. Absolut die ältesten Einwohner. Der Doktor guckt schon ganz nervös nach Anzeichen von Arthritis oder Senilität. Aber wie ist es mit Miss Adams? Sie ist wirklich unsere Pionierin.«

Dr. Barrett strahlte sofort, wie die Leute es tun, wenn Tantchen erwähnt wird. »Ich habe Miss Adams und ihre Nichte schon kennengelernt. Miss Smale hat mich bei meinen Einkäufen sehr gut beraten.«

Tony, der Trost des Junggesellen. Ich sagte: »Sie ist keine richtige Nichte von Miss Adams. Sie ist meine Nichte, oder besser, die meines Mannes. Wir alle nennen Miss Adams >Tantchen<, zumindest diejenigen, die schon lange hier sind. Ein Vorzug alter Freundschaft.«

Schon hatte er sich eingestellt, dieser hochnäsige Ton, den Kate verurteilt hatte, »Betreten verboten«. Aber er schien es nicht zu bemerken, denn in diesem Augenblick betraten Tantchen und Tony den Saal, und sein Blick wandte sich von mir ab. Ich nahm es ihm nicht übel. Miss Adams war sehr elegant, wie üblich, kein bißchen ein Dorfkaufmann. Und Tony? Es war kein Vorurteil von mir, wenn ich sie für schön hielt, und sie sah in ihrem smaragdgrünen, unglaublich kurzen Kleid und ihrem herrlichen Haar, das sie heute hochgesteckt auf ihrem kleinen Kopf trug, nur allzu verführerisch aus. Sie strahlte und war sofort von jungen Männern umgeben, und ich freute mich, daß auch Peter einmal darunter war. Ich nahm es dem Doktor nicht übel, daß er ziemlich geistesabwesend antwortete, als ich ihn nach den Aussichten auf eine Hausgehilfin fragte.

»Das wird schon gehen. Miss Smale ist ziemlich sicher, daß sie eine Maorifrau finden kann, die putzt und wäscht. Ansonsten komme ich zurecht.«

Genauso hatte ich es mir vorgestellt — Tony ordnete sein Leben. »Aber wie ist es mit den Mahlzeiten, wenn Sie spät nach Hause kommen oder viel zu tun haben und so?«

»Das schaffe ich schon. Ich lebe schon lange als Junggeselle. Ein paar andere junge Männer und ich hatten eine Wohnung, als wir noch studierten. Wir haben uns mit dem Kochen abgewechselt. Außerdem bin ich sehr gut im Büchsenöffnen.«

Tony, die in diesem Moment mit Peter vorbeikam, hörte ihn und rief fröhlich: »Kommen Sie zu uns in die Lehre. Wir spezialisieren uns auf die Bedürfnisse einsamer Junggesellen.«

»Und auf die Junggesellen selbst«, dachte ich böse, als ich sah, wie sich ein junger Farmer entschlossen dazwischen drängte. Es war zum wahnsinnig werden, daß Peter sofort aufgab. Wenn er natürlich keinen Mumm hatte und die Dinge laufen ließ, dann war nichts zu machen.